Gartencoop in Freiburg setzt auf Verstehen und Vertrauen statt auf Freihandel. Ein Artikel von Sonja Korspeter in der Bauernstimme, die Zeitung der AbL. Artikel als PDF.
Die Strategie der krummen Gurken
Gartencoop in Freiburg setzt auf Verstehen und Vertrauen statt auf Freihandel
Jede Gurke, die man essen kann, landet bei der Gartencoop in der Gemüsekiste. Ob sie krumm ist, oder gerade, groß oder klein, hellgrün oder dunkelgrün. Vielfalt ist Trumpf und es soll nichts verschwendet werden, sondern alles, was gut ist, in den Kochtöpfen der Mitglieder landen.
Die Gartencoop Freiburg ist eine Kooperative der Solidarischen Landwirtschaft. Sie besteht aus einem landwirtschaftlichen Betrieb in Form einer GbR und einem Verein mit aktuell 250 Mitgliedern, die den Gemüseanbau solidarisch finanzieren, tatkräftig anpacken und sich die Ernte teilen.
Wie alles anfing.....
Im Sommer 2009 fuhren Luciano Ibarra und drei weitere Freiburger in die Jardins de Cocagne (Schlaraffen-Gärten) nach Genf. „Wir lernten dort eine Genossenschaft kennen, die schon seit 30 Jahren erfolgreich funktioniert und fern aller Marktlogik 420 Menschen mit Gemüse versorgt.“
Zurück zu Hause konnten sie viele andere für ein solches Projekt des gemeinsamen Gemüseanbaus begeistern. Die mühsame Suche nach Land begann. Fündig wurde man schließlich auf einem Hof 20km südlich von Freiburg. Der dortige Gemüse-Bauer wollte sich zur Ruhe setzen und verpachtete der Gruppe knapp 9ha Land. Dazu einen Lagerraum, eine kleine Scheune und ein Unterdach, das heute zum Packen des Gemüses dient. Parallel zur Landsuche konstituierte sich eine Kerngruppe von Leuten, die das Projekt gemeinsam vorantrieben. Einige von ihnen sind heute als GärtnerInnen auf dem Hof tätig, andere in der Koordinationsgruppe der Kooperative engagiert.
Gemeinschaftliches Arbeiten
Einmal wöchentlich wird frisches Gemüse vom Hof mit einem Carsharing-Bus zu einem Umschlagplatz in Freiburg transportiert. Dort wird es dann auf Fahrradanhänger umgeladen und per Muskelkraft an die einzelnen Depots transportiert, wo die Mitglieder es selber abholen.
Die Mitglieder der Gartenkooperative helfen regelmäßig mit – beim Jäten, beim Ernten, beim Packen der Gemüsekisten und natürlich beim gemeinsamen Feiern. Für die fünf GärtnerInnen bedeutet dies, dass sie neben ihrem fachlichen Wissen im Bereich Gemüsebau auch eine Menge pädagogisches und organisatorisches Fingerspitzengefühl brauchen. Denn es ist nicht immer leicht, Leute von außen in den professionellen Hofablauf zu integrieren. Lukas erklärt: „Es geht darum, die Arbeit sinnvoll aufzuteilen und ein Verständnis für die einzelnen Bereiche des Gemüsebaus zu vermitteln. Das ist manchmal auch anstrengend, aber es ist toll, diesen Hof mit vielen politischen Leuten gemeinsam zu machen.“
Ich frage Lukas, warum er sich für die Gartencoop und nicht für den Aufbau eines eigenen landwirtschaftlichen Betriebes entschieden hat. Seine Antwort kommt prompt und engagiert: „Der freie Markt ist nicht attraktiv. Als Junglandwirt mit eigenem Hof hätte ich ständig mit Banken und Bürokraten zu tun. Über das Modell der Kooperative wird der Hof vom marktwirtschaftlichen Druck entlastet. Es entsteht Freiraum, den wir für den guten ökologischen Anbau und die Weitergabe von Wissen an die Mitglieder verwendet können.“ Das Fruchtfolgekonzept der GbR ist denn auch ausgeklügelt und die Vielfalt der angebauten, ausschließlich samenfesten Sorten groß.
Solidarische Ökonomie
Im Mittelpunkt der solidarischen Landwirtschaft steht eine gemeinsame Vereinbarung: Der Hof versorgt die Mitglieder und alle teilen sich die damit verbundene Verantwortung, das Risiko, die Kosten und die Ernte. Ernteausfälle werden gemeinsam geschultert und reiche Ernten ebenfalls miteinander geteilt. Bezahlt wird für die Landbewirtschaftung, nicht für die Produkte.
Solidarisch bezieht sich auch auf die Mitglieder des Vereins. Jeder soll mitmachen können. Kathrin erklärt, wie es funktioniert: „Bei der jährlichen Mitgliederversammlung stellt die GbR die zu erwartenden Kosten für das nächste Jahr vor. Und dann gibt es eine Biete-Runde, bei der jedes Mitglied verdeckt auf einen Zettel schreibt, welchen Mitgliedsbeitrag es leisten kann und möchte.“
Dieses System funktioniert ziemlich gut. Manche geben mehr als den Richtwert und so können andere, weniger Betuchte, einen geringeren Beitrag leisten.
Das trifft auch für die Mitgliedereinsätze zu. Oma Maier fällt das Bücken schwer und sie mag deshalb nicht aufs Feld. Aber sie kocht wunderbar und gerne. Und so freuen sich die Mitglieder am Mittwoch, wenn sie fertig sind mit Ernten, dass sie sich an den gedeckten Tisch setzen und schmausen können. Jedes Mitglied kann sich entsprechend seiner Interessen und Talente in die Gartencoop einbringen und von dem Wissen und der Erfahrung der Gärtner profitieren.
Lebensmittel sind keine Ware
Ich frage nach, ob es eine Zusammenarbeit mit den örtlichen Bauern gibt. Lukas antwortet: „Ja, die gibt es. Wir helfen uns mit Geräten und Maschinen aus und manchmal macht der eine oder andere für uns was im Ackerbau. Auch im Beregnungsverband trifft man sich.“ Und wie sehen die Bauern Euch? „Die finden uns lustig, wie wir die Möhren mit der Hand jäten. Aber sie sehen auch, was wir schaffen und dass wir etwas aufbauen. Dass wir fleißig sind. Und das erkennen sie an.“
Und dann sagt Luciano aus dem Koordinationskreis noch etwas Essentielles: „Für uns sind Lebensmittel keine Ware.“ Damit ist das Selbstverständnis der Gartenkooperative auf den Punkt gebracht. Es geht um eine ökologisch und sozial nachhaltige Landbewirtschaftung, die einer Gruppe von Menschen, die sich mit dem Hof verbunden fühlen, Lebensmittel also Mittel zum Leben liefert. Der Warenmarkt bleibt gewissermaßen außen vor.
Sonja Korspeter
Der Film „Die Strategie der krummen Gurken“ zeigt Entstehung, Motivation, Praxis, Schwierigkeiten und Ausblicke der Gartencoop Freiburg. Er wird am 31. Mai 2013 als Vorpremiere in Freiburg gezeigt. Später wird er auf www.cinerebelde.org und auf www.gartencoop.org frei zugänglich sein. Die Freiburger Gartencoop ist eines von inzwischen 34 Projekten Solidarischer Landwirtschaft in Deutschland.
Artikel erschien in: http://www.bauernstimme.de/