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Kleiner Biobetrieb bei Berlin wehrt sich gegen Landgrabbing

Warum wendet sich ein kleiner Biobetrieb in Brandenburg an die Öffentlichkeit? Wir, der Betrieb Bienenwerder, der Verein in Bienenwerder und alle dazugehörigen MitarbeiterInnen, Vereinsmitglieder und FreundInnen wollen in dieser Erklärung etwas mitteilen, was nicht nur uns betrifft. Vielmehr ist der Prozess, dem wir ausgesetzt sind, einer, der bezeichnend ist für etwas, das im großen Stil uns alle in der Region betrifft.

Landgrabbing, schon mal gehört? Was hat das mit Dir zu tun? (Landgrabbing ist auf Flächen bezogen ein bisschen so, wie wenn Deine Miete ständig steigt, bis Du aus Deiner Wohnung fliegst) Isst Du gerne regional, erholst Dich gerne in der umliegenden Natur oder hast Du auch schon einmal diskutiert, warum immer mehr (junge) Menschen aus Ostdeutschland wegziehen?

Ein Aspekt, der in all diese Punkte hineinspielt, ist die Landvergabepolitik in Ostdeutschland. Warum? Ganz einfach: ohne Zugang zu Land können wir keine regionalen Lebensmittel produzieren, ohne nachhaltige Landwirtschaft ist unsere Umgebung schon jetzt immer mehr geprägt von endlosen Maisfeldern und Agrarwüsten, ohne arbeitsbindende (regionale) Betriebe und Strukturen gibt es für uns (junge) Menschen keine Zukunftsperspektiven in Brandenburg.

Landgrabbing in Deutschland? Ja  – und sogar direkt vor unserer  Tür, der Tür zu unserem kleinen Hof. Seit drei Jahren sind  wir, der Organische Landbau in Bienenwerder  dem konstanten Druck der Existenzgefährdung durch die Landvergabepolitik in unserer Region ausgesetzt. Und nun wurden wieder anliegende Flächen, die für diesen Hof wichtig sind, zum Verkauf ausgeschrieben.

Die falsche politische Entscheidung hat schon vor Jahren dazu geführt, dass der Privatisierungsprozess der vielen im staatlichen Besitz befindlichen landwirtschaftlichen Nutzflächen sich nicht danach richtet, wer nachhaltig, arbeitsbindend oder einfach regional wirtschaftet  –vielmehr wurde tragischer weise beschlossen, dass nur das höchste Gebot beim Verkauf von öffentlichem Land entscheidend ist.

Bei den Zuschlagskriterien wird auch der Bedeutung, die die jeweiligen Flächen für einen real existierenden Betrieb haben,  keinerlei Beachtung geschenkt. Die Verkaufspolitik, aber vor allem auch die Verkaufsstrategien der „Boden verwaltungs- und verwertungs- Gesellschaft – BVVG“ (Treuhandnachfolgerin) führen zu immer größeren Besitzstrukturen und zur Zerstörung  von Möglichkeiten für kleine und mittelständische Betriebe. Wie schon der Weltagrarbericht bestätigt, sind  aber genau diese für die ländliche Entwicklung unverzichtbar, sowie für die Versorgung der Menschen im städtischen Raum mit vielfältigen Lebensmitteln.

So ein Hof sind wir: Über 100 verschiedene Gemüse-, Obst-, Kräuter- und Blumenkulturen werden hier angebaut; anstatt viel Geld in teure Technik und Diesel zu versenken arbeiten wir mit vielen Menschen und Arbeitspferden nachhaltig, aber nicht rückwärtsgewandt. Wir vermarkten unsere Produkte direkt und ohne Umwege nach Berlin.  Arrondierende Flächen sind naheliegende Weidegründe für unsere Milchziegen und Arbeitspferde, während sie gleichzeitig der wildlebenden Artenvielfalt dienen. Das Ergebnis dessen, was passiert, wenn Flächen an irgendwen verkauft werden, mussten wir gerade erst vor unserer Haustür erfahren: die zuletzt verkauften Flächen Wald, die an unseren Hof grenzen, sollen jetzt nach einem intensiven Harvester-(Holzerntemaschinen)einsatz mit dem Totalherbizid-Spritzmittel Round Up behandelt werden  –  Guten Appetit und hoch lebe der Schutz der Artenvielfalt!

Durch unsere Bemühungen konnten wir in den letzten Jahren bereits einige Hektar Land erwerben und sind auch schon ein wenig  als ein Hof bekannt, der sich wehrt. Dies und auch der politische Druck, der seit letztem Jahr durch das „Bündnis junge Landwirtschaft“ aufgebaut wurde, hat dazu geführt, dass die Flächen immerhin nur begrenzt ausgeschrieben wurden. Dies bedeutet, dass erst einmal nur ökologisch wirtschaftende Betriebe, Betriebe junger LandwirtInnen und intensiv arbeitende Betriebe (Achtung: auch intensive Tierhaltung ist hier gemeint!) sich  bei dieser Ausschreibung bewerben können.

Ein Teil dieser Kriterien könnten für uns Grund der Freude sein, jedoch müssen sie wieder in dem Kontext betrachtet werden, in dem sie Anwendung finden: Die BVVG hat es jahrelang versäumt, ihrer Pflicht nachzukommen, Flächen dieser Art in ausreichendem Maße – durch die oben angeführten Kriterien –  beschränkt auszuschreiben. Manchmal wurde ein kleines Stückchen „zwischen zwei Bahngleisen“ in dieser Weise beschränkt ausgeschrieben, nur gab es weit und breit keinen Biobauern und auch kaum Zufahrtswege.

Keiner/m von uns wurde in der Vergangenheit je eine benötigte Fläche mit dieser Option der beschränkten Ausschreibung angeboten. Ganz im Gegenteil: Wir in Bienenwerder haben zuerst etliche Briefe des Drucks und der Absagen auf unsere Anfragen bezüglich der Erwerbsmöglichkeiten für Flächen von der BVVG erhalten. Jetzt wehren sich erstmals junge BäuerInnen und der Druck auf die BVVG hat sich erhöht. Das ist gut.

Neben den Kriterien der Ausschreibung gibt es aber natürlich noch ein sehr greifbares Kriterium, das  uns als LandwirtInnen einen Kauf möglich, oder eben unmöglich macht: der Preis. Der in der Ausschreibung festgelegte Mindestwert, der geboten werden muss, richtet sich nach den in den letzten Jahren geboten Preisen für Flächen im Umland. Diese Preisentwicklung ist aber maßgeblich durch die Verkaufsstrategien der BVVG selbst entstanden. Auf vielschichtige Weise werden die Preise gezielt nach oben getrieben: Die verdeckten Versteigerungen führen schon einmal grundsätzlich dazu, dass oftmals viel zu hoch geboten wird, da ich als Bieter ja nicht weiß, wer und ob sonst überhaupt jemand und wie viel auf die von mir benötigten Flächen bietet.  Ein Betrieb wie unserer, der plötzlich mit dem Verkauf der existenznotwendigen Flächen des Gemüseanbaus konfrontiert war, war natürlich „gewillt“ unter dem Druck der BVVG immer höhere Preise zu bieten. Zynischer weise  sind wir so selbst beteiligt an der Preisentwicklung nach oben, die vielerorts in den letzten Jahren zu zwei- bis vierfach höheren Preisen geführt hat.

Diese Preise sind vollkommen entkoppelt, von dem, was sich nachhaltig auf Brandenburger Flächen durch „normale“ Landwirtschaft zurück erwirtschaften ließe. Wir empfinden eine beschränkte Ausschreibung der Flächen an unserem Hof, mit der sich die BVVG und die zuständige Politik von dem öffentlichen Druck befreien möchten, als eine Provokation, wenn sie gleichzeitig das Mittel der Preisgestaltung nutzen, um im Nachhinein, wenn es sich für uns als unmöglich erweist mitzubieten, behaupten zu können, wir hätten ja nicht geboten.  Junge LandwirtInnen können nicht auf dieser Ebene konkurrieren. Nachhaltig wirtschaftende Betriebe auch nicht.

Die Verantwortung  liegt bei der BVVG und ihren Verkaufsstrategien genauso wie beim ihr übergeordneten Finanzministerium, welches den politischen Weg bereitet für den Ausverkauf unseres gemeinsamen Gutes: der regionalen landwirtschaftlichen Nutzflächen.
Wir fordern als Betrieb einen angemessen Orientierungswert und nicht einen , der sich am Landgrabbing in Ostdeutschland orientiert und den wir nicht aufbringen können. Wir lassen uns nicht nutzen für eine Greenwashing-Strategie der BVVG. Wir fordern als junge LandwirtInnen einen sofortigen Stopp aller Verkäufe und eine gemeinsame Entscheidung über die Landvergabe der noch verbliebenen Flächen in Ostdeutschland.

Wir laden Sie als KonsumentInnen, sowie als BewohnerInnen der Region ein, diese Forderungen mit uns gemeinsam zu gestalten, da wir uns dazu alleine nicht in der Lage sehen und es  weniger um unsere individuelle Zukunft, als die von uns allen geht.
 
IN DEN KOMMENDEN WOCHEN WERDEN WIR AUF VIELFÄLTIGE WEISE AKTIONEN MACHEN:
-          17.JULI, 14 UHR: Kommt alle zum öffentlichen Geldverschleudern vor der BVVG-Zentrale in Berlin!
BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH
Schönhauser Allee 120
10437 Berlin



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by Dr. Radut