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"Die Strategie der krummen Gurken" - Gartencoop Beitrag in SWR Sendung Odysso

Im Rahmen ihrer Sendung mit dem Titel "Wie wollen wir uns künftig ernähren?" hat das Wissensmagazin Odysso einen sehenswerten Beitrag zum Modell der Solidarischen Landwirtschaft und der Gartencoop Freiburg gezeigt.  Video online anschauen Teil 1 | Teil2.

Solidarische Landwirtschaft
Die Strategie der krummen Gurken

Es gibt einen Weg, sich unabhängig vom Supermarkt zu ernähren. In der Solidarischen Landwirtschaft wirtschaften Bauern und Konsumenten gemeinsam: regional, biologisch und zu fairen Preisen. odysso zeigt was dahinter steckt.

Ernte statt Einkauf

Es ist Donnerstag, 07:00 Uhr. Heute muss die Studentin Suni früh aus dem Bett, denn sie ist für den Einkauf eingeteilt. Es herrscht gähnende Leere im Kühlschrank ihrer Studenten-WG. Sie zieht sich robuste Kleidung an, schlüpft in ihre Stiefel und steigt aufs Fahrrad. Ihr Weg führt sie vorbei an sämtlichen Supermärkten bis hin an ihr Ziel: Die Gartencoop Freiburg, ein Hof der nach einer besonderen Philosophie wirtschaftet, der solidarischen Landwirtschaft.

Viele Menschen, ein Hof

Die Gartencoop Freiburg hat insgesamt 300 Mitglieder. Sie alle haben sich dem Projekt angeschlossen, um unabhängig zu sein von der industriellen Landwirtschaft, die auf Höchsterträge abzielt, die die Bauern ausbeutet und der Umwelt schadet. Hier wollen sie es anders machen, sich selbst versorgen. Deswegen haben sie den Hof gemeinsam gepachtet. Jeder zahlt einen jährlichen freiwilligen Betrag, hilft rund drei Tage im Jahr bei der Ernte und bekommt dafür einmal die Woche eine Kiste voll mit frischem Gemüse. Das muss heute aber erst noch von Strauch und Boden in die Kiste kommen. Deswegen darf Suni jetzt auch keine Zeit verlieren. Gemeinsam mit 12 weiteren Helfern geht sie aufs Feld. Zu dem Hof gehören insgesamt neun Hektar Land.

Auch die krumme Möhre bekommt eine Chance

Mit dem Spaten sticht sie in den Boden. Zum Vorschein kommen kleine große, krumme und dicke Möhren. Luciano, einer der Initiatoren des Projekts legt sie alle in die Erntekiste. Denn aussortiert wird hier nur sehr wenig. "In einem gewerblichen Betrieb fallen bis zu 50 Prozent dem Supermarkt-Casting zum Opfer. Eine Möhre die zum Beispiel zwei Füße hat, wird weggeschmissen. Bei uns bekommen die Mitglieder alle Möhren. Schließlich entscheidet nicht das Aussehen über den Geschmack", sagt Luciano.

Alles was hier geerntet wird, hat immer einen Abnehmer. Dadurch hat der Hof Planungssicherheit. Anders als in der industriellen Landwirtschaft, gibt es hier kein Überangebot und Preisverfall. Auch die Anbauregeln bestimmen hier alle gemeinsam, unabhängig von Verordnungen. "Die Biosiegel in Supermärkten sagen nichts darüber aus, welchen Weg Lebensmittel zurückgelegt haben, welchen Arbeitsbedingungen dahinter stecken, mit welchem Energieaufwand das Ganze produziert wurde oder welches Saatgut verwendet wurde." Hier wird nur eigenes Saatgut verwendet, die angestellten Gärtner bekommen eine faire Bezahlung, es wird nur von Hand geerntet und die Lieferwege sind kurz. Hinzu kommt, dass durch den vielfältigen Anbau der Boden geschont wird, Monokulturen gibt es hier keine.

Gemüsetransport mit dem Fahrrad

Nach dem Mittagessen wird die Ernte in Kisten gepackt. Heute sind alle prall gefüllt mit Gurken, Auberginen, Tomaten, Zucchini und vielem mehr. Doch das ist nicht immer so, denn der Hof ist von der Saison abhängig. Im Winter gibt’s eingelagertes Gemüse, doch das füllt die Kisten nur bis zum Frühlingsloch. Dann ist das Angebot zwar kleiner, doch die Mitglieder nehmen das in Kauf. Jeder bekommt gleich viel. Kollektives Eigentum und Selbstverwaltung. Das gehört zum solidarischen Gedanken. Ist das Gemüse in allen Kisten untergebracht wird es an insgesamt siebzehn Depots in Freiburg verteilt. Das Transportmittel: Der Fahrradanhänger. Auch für die Ausfuhr ist Studentin Suni eingeteilt. Eine Kühlkette gibt es hier nicht. Die ist bei den kurzen Wegen auch nicht nötig. Die Logistik wirkt zwar altmodisch, ist aber klimaschonender als die konventionelle Vermarktung.

Jeder bestimmt selbst wie viel er bezahlt

Eines der Depots liegt in einem Restaurantinnenhof. Von hier aus wird ein Teil der 300 Mitglieder versorgt. Suni stellt die Gemüsekisten in große Schubladen. Noch am gleichen Tag kommen alle vorbei, um sich ihre Ration abzuholen. Ohne Geldbeutel, denn bezahlt ist die Ware schon durch den freiwilligen Jahresbeitrag. Suni hat sich entschieden 960 Euro beizusteuern, so wie die meisten Mitglieder. Sie bezahlen damit aber nicht nur die Lebensmittel, sondern auch die Bewirtschaftung des Hofes. Erschöpft aber glücklich streicht sich Suni über die Stirn. Der Tag hat sich für sie gelohnt, stolz zeigt sie auf ihre Kiste "schön bunt was hier drin ist".
Die Gartencoop Freiburg - Ein Statement für bodenschonende vielfältige Landwirtschaft und gegen Monokulturen. Für ökologischen Anbau ohne Biomassenware aus fernen Ländern und gegen die Vernichtung von Lebensmitteln. Die Idee hat Zukunft. In Deutschland gibt es derzeit insgesamt 85 Höfe, die solidarisch wirtschaften. Hundert weitere sind in Gründung.

Sonja Legisa

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