Ab dem Jahr 2009 entwickelte sich das erste Projekt einer Kooperative der solidarischen Landwirtschaft in der Region Freiburg. Inspiriert von älteren, vor allem norddeutschen CSA-Höfen, den Genfer „Jardins de Cocagne“ oder etwa der Kommunen- und Kooperativen Bewegung wie „Longo Mai“ entwickelte sich ein ausstrahlungsstarkes Projekt, in dem viele linke Ideale von Kollektiveigentum, Solidarität, Partizipation, Enthierarchisierung und Basisdemokratie versucht werden, um sie möglichst konsequent im Rahmen einer selbstverwalteten Gemüseproduktion umzusetzen.
Im folgenden wollen wir unsere Anbauplanungsunterlagen veröffentlichen, um das Erarbeitete zugänglich und anwendbar für alle zu machen. Als Inspiration und aus Solidarität mit den emanzipatorischen kleinbäuerlichen Widerständen für Ernährungsautonomie.
1. Ziel
Unser gemeinsames Ziel war und ist eine Autonomie in Fragen der Lebensmittelversorgung für einen Kreis von 300 Haushalten zu erarbeiten und weitere Initiativen nachhaltiger Solidarökonomie zu stärken. Unser CSA*-Verständnis beinhaltet neben dem Aufbau einer selbstverwalteten Gemüsebaukooperative eine größtmögliche Transparenz in Fragen des Anbaus, Beteiligung an allen grundlegenden Entscheidungen sämtlicher Mitglieder nach dem Konsens-Prinzip und kollektives Eigentum in Fragen sämtlicher Produktionsmittel und eventuell zu erwerbenden Landes.
Die „Verbraucher_innen“ sollen durch Beteiligung an der Landwirtschaft („vom Keimling bis zum Küchentisch“) an die Problematiken herangeführt werden und können mehr dazu lernen, was ein konsequenter regionaler Bioanbau und eine energiebewusste Produktion und Verteilung bedeutet. Hauptaugenmerk war dabei, Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen – nicht den freien Markt möglichst geschickt profitorientiert zu bedienen.
2. Funktionsweise
Auf dem Hof sind 6 Gärtner_innen und ein Landwirt auf etwa 4,5 AK angestellt und von der Gemeinschaft mit der Planung, der technischen Umsetzung des Anbaus und Teilen der Bildungsarbeit beauftragt. Drei Menschen teilen sich im Verein eine halbe Stelle für Koordinations-, Verwaltungs- und Buchhaltungsbelange.
Hunderte Menschen beteiligen sich mittlerweile Jahr für Jahr an diesem Projekt und wir kommen unserem Ziel, der Ernährungsautonomie, etwa 40 Wochen im Jahr ziemlich nahe, ohne dabei ökonomisch auszuschließen. Die finanzielle Beteiligung der Haushalte wird selbstbestimmt und die erwartete praktische Beteiligung unterliegt keiner Kontrolle. Das setzt viel Vertrauen voraus und zeigt zweifelsohne das Potential einer solidarökonomischen Praxis und kollektivierten Verantwortung. Hier ist eine intensive, oftmals anstrengende aber authentische und ehrliche immer währende und qualitative Kommunikation aller Beteiligten von Nöten. Nur Transparenz schafft Vertrauen und ermöglicht Dezentralität und Autonomie.
3. Eckdaten und Anbau
- Seit 2011 bewirtschaften wir gut 8 Hektar überwiegend wunderschönen mittelschweren Lehm-Sand-Löss Boden im Markgräflerland. Im folgenden ein kleiner Betriebsspiegel, Stand Sommer 2015:
- Betriebsgröße: 8 ha Acker, Hofstelle, Stallungen (Pacht/Miete)
- Kalthausfolientunnel: 2.735 m2
- Freilandgemüsebau: 3,5 ha (mit Doppelbelegungen)
- Ackerbau (Getreide): 1 ha
- Gründüngung: 2,5 ha
- Kartoffeln: 0,4 ha
- Lage: Tunsel, Oberrheinebene 223 m ü.NN., 19km von Freiburg
- 800 mm Niederschlag
- Durchschnittliche Temperatur (Jahresmittel): 10 °C
- Löss Böden, teils lehmig (60-85 Bodenpunkte). 70% der Flächen können beregnet werden.
- Humusgehalt: steigend
- Anbau im Gewächshaus: 8-Gliedrige Fruchtfolge mit Gründüngungen und Brache
- Anbau im Freiland: 11-Jährige Fruchtfolge (mit Regen): Gemüse, Getreide, Kleegras - 3-Jährige Fruchtfolge: Getreide, Kartoffeln + Mais, Kleegras
- 100% samenfeste Sorten
- 70 Kulturen bei je 1 bis 14 Sorten
- Tierhaltung: „Dexter“ Mutterkuhherde (7 Tiere)
- keine aktive Kühlung für die Lagerung
- 2 Fendt-Geräteträger (25 bzw. 30PS), 1 86PS-JD-Allrad, 1 IHC 633 52 PS
- Hofeigene Bohrung zur Bewässerung
- Arbeitskräfte landwirtschaftlicher Betrieb: 7 ständige Mitarbeiter_innen (4,5 AK)
- Arbeitskräfte im Verein: 3-4 Mitarbeiter_innen (0,5 AK)
- Verteilung und Logistik in Selbstverwaltung der Mitglieder
- 300 Mitglieder / Ernteanteile
- Mitgliederbeteiligung (durchschnittlich 5 halbe Tage / Jahr)
- kollektives Eigentum (Verein) über die Produktionsmittel
- Bildungsarbeit
4. Anbauethik/Philosophie
Wir streben nach einer für uns schlüssigen möglichst weitreichenden Kreislaufwirtschaft und Autonomie in dem Sinne, dass wir den Input für unseren Anbau möglichst nicht von außerhalb des Hofes zuführen müssen. Dafür arbeiten wir mit einjährigen bzw. zweijährigen Klee-Gras-Gründüngungen in der „großen Fruchtfolge“ und nutzen diese als Futterbau für die Mutterkuhherde. Viele von uns haben auch im bio-dynamischen Anbau gelernt, es gibt jedoch keinen dogmatischen Hang zu einer gewissen Richtlinie. Vielmehr wollen wir unsere Ethik über einen möglichst ökologischen und effizienten Anbau hinaus selbstbestimmt aufbauen und mit den Mitgliedern nach den Bedürfnissen der Gemeinschaft stetig weiterentwickeln.
Wir werden zwecks möglicher Kooperation mit anderen Verbandsbetrieben vom EG-Bio- Verein (Bio-light) in Karlsruhe kontrolliert. Unsere Motivation, über die Kompromissbereitschaft des konventionellen und kommerziellen Bioanbaus hinaus zu gehen, mündet jedoch in einem Anbau, der mit EG-Bio wenig zu tun hat. Neben der Vielfalt von über 70 angebauten Kulturen treten wir auch für die ausschließliche Verwendung samenfester Sorten ein und entwickeln in diesem Bereich wertvolle Erfahrungen. Auch die Politik des Saatguts ist und bleibt ein wesentlicher Bestandteil einer zu erbauenden solidarischen Landwirtschaft mit dem Ziel der Ernährungsautonomie.
5. Die Planung
Mit dem Ziel, eine ganzjährige Gemüseversorgung zu ermöglichen, hat das Anbauteam in den Jahren 2011-2015 die nachfolgend aufgeführten Planungsdokumente entwickelt. Während die wesentliche Struktur, Abfolge und Betriebsplanung weitgehend steht, findet die derzeitige Entwicklung eher in Fragen der technischen Umsetzungsmöglichkeiten, Satzgrößen, Sortenauswertung, Nährstoffarbeit, Getreideanbau und Futterbau statt. Teilweise sind auch neue Kleinstfruchtfolgen für Sonderkulturen wie Melonen und Auberginen im Freiland entstanden, diese sind jedoch nicht erprobt und nicht in dieser Publikation enthalten. Wir präsentieren hier in erster Linie einen Draft der sich bisher bewährenden Planung.
Diese Dokumente werden bei uns wie abgebildet im Arbeitsalltag verwendet. Wie folgt aufgeteilt:
Der Freilandanbau: Aussaat Freiland, Pflanzung Freiland, 11jährige Fruchtfolge für beregenbaren Standorte, 3jährige Fruchtfolge für nicht beregenbare Standorte.
Der geschützte Anbau im nicht geheizten Folientunnel: Wochenplan Aussaat und Pflanzung, Fruchtfolgeplan
Als zeitliche Orientierung verwenden wir immer die Kalenderwoche (KW).
Kürzel für Saatgutlieferanten sind: Bi Bingenheim, Rs Reinsaat, Sa Sativa, Koco Kocopeli, Dre Dreschflegel
Die Herleitung und die Überlegungen, die zu unserer Fruchtfolge führten, können anhand der ebenfalls auf gartencoop.org veröffentlichten Meisterarbeit „Praktische Ansätze für die Erstellung einer Fruchtfolge im vielfältigen ökologischen Anbau für CSA oder ausschließliche Direktvermarktung“ nachvollzogen werden.
Viel Spaß und Inspiration.
Artikel und Anbauplanung als PDF
Besonderheiten: 2 kurze Gurkensätze ermöglichen Zeitfenster für Gründüngungen je vor und nach der Gurke. Da ein Fruchtfolgeglied immer die Hälfte des Tunnels belegt, war es wegen der Klimaführung (Frost gare, Gründüngung) wichtig, die gleiche Winterbelegung in einem Haus zu haben. „Theoretisch“ alle 8 Jahre Tomate auf der selben Fläche!
6. Ausblick
Es entstehen zurzeit zahlreiche Projekte, die sich die Autonomisierung verschiedener Lebensbereiche, insbesondere der Ernährung, auf die Fahne schreiben. Mit etwa 100 Höfen entstand im deutschsprachigen Raum innerhalb von fünf Jahren eine kleine Welle. Wir sind gespannt, ob SoLaWi das Potential einer solidarischen und autonomistischen Bewegung weiter entfaltet oder ob es in einer „besseren Abokiste“ mündet, da der Kapitalismus an Absorptionskraft unübertroffen bleibt. Wir hoffen, dass nicht, sondern dass das Modell viele Lebensbereiche ergreift, für eine andere Agrar- und Umweltphilosophie. Diese beinhaltet auch viel Skillsharing, praktisches Zusammenhalten und die Beförderung einer breiteren Diskussion und emanzipativen Praxis in Fragen der Ernährung - Weltweit.
Jedenfalls wird es keine Zukunft ohne Landwirtschaft geben. Und dafür muss diese einen solidarischen Umbruch beschreiten.
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