Als Fortführung der Anbauinspiration für eine solidarische Planwirtschaft von Unten wollen wir die Motivation und Ziele hinter unserer Verteilungsstruktur in der GartenCoop dokumentieren.
Wie alles begann .....
Die GartenCoop entstand 2009 als eine Initiative von GärtnerInnen, LandwirtInnen, KlimaaktivistInnen und Aktiven anderer sozialer Bewegungen. Neben einem konsequenten ökologischen Anbau und einer möglichst basisdemokratischen Entscheidungsfindung waren klimapolitische Ziele von Anfang an fest im Projekt verankert. Ein wichtiges Dokument in unserem Gründungsprozess war der Weltagrarbericht, der sich auch explizit mit dem Thema Klima und Energie auseinandersetzt:
31% der Klimagasemissionen schreibt der Weltklimarat IPCC direkt der Landwirtschaft und veränderter Landnutzung zu. Verarbeitung, Transport, Kühlung, Erhitzung, Zubereitung und Entsorgung von Lebensmitteln hinzugerechnet, die der IPCC in anderen Sektoren verbucht, ergibt, dass über 40% aller Emissionen davon abhängen, wie wir uns ernähren und Landwirtschaft betreiben.
Bewusst entschieden wir uns dagegen, unsere Folientunnel zu beheizen oder unser Lager mit externem Energieinput zu kühlen. Ein möglichst geschlossener Düngekreislauf mit eigener Mutterkuhherde und Kompostierung ist unser Ziel, um so wenig wie möglich externen Dünger einkaufen zu müssen. Aber auch nachdem das Gemüse geerntet ist, benötigt es Energie, um die Lebensmittel zu den Mitgliedern zu bringen.
"Wie kommt das Gemüse jetzt zu den Leuten?"
Noch bevor wir mit der Landwirtschaft beginnen konnten, zerbrachen wir uns die Köpfe über die Art und Weise der Verteilung. Wie viele andere Bereiche in der GartenCoop ist auch die Verteilung von den Jardins de Cocagne in Genf inspiriert. Dort wird der Großteil des Gemüses mit Transportern und Privat-PKWs in der Stadt verteilt. Allerdings gibt es auch ein Lastenrad, das in der Innentadt die Depots (Verteilpunkte) mit den Gemüsetüten beliefert.
Der landwirtschaftliche Betrieb der GartenCoop liegt am südlichen Rand der Ortschaft Tunsel, die zur Gemeinde Bad Krozingen gehört. Die Entfernung zwischen dem Acker und der Stadt beträgt ca. 20 km. Die GartenCoop ist eine Initiative, die zum allergrößten Teil von Menschen getragen wird, die in Freiburg leben und auch dort ihr Gemüse verarbeiten. Von den 300 Ernteanteilen werden nur ca. 10 % direkt am Hof abgeholt (Stand März 2016).
Als wir im Frühjahr 2011 anfingen unsere Flächen zu bestellen, überschlugen sich auch die Entwicklungen in den nachgelagerten Bereichen. Obwohl wir bereits 18 Monate Planung hinter uns hatten war es durchaus eine Herausforderung, die ersponnenen Konzepte in der Realität umzusetzen. Einige von uns hatten den Anspruch, das produzierte Gemüse komplett mit dem Fahrrad vom Hof in die Stadt zu fahren. So fuhren wir die ersten Radieschen, Rhabarber und Salate wirklich mit mehreren Fahrradanhängern von Tunsel bis nach Freiburg. Sobald aber die Ernten etwas größer wurden und auch schwerere Gemüsesorten hinzukamen, musste unser Idealismus vor der Realität kapitulieren. Im Frühjahr 2012 haben wir nochmal die ersten Radieschen und Salate mit dem Fahrrad komplett verteilt was von Cinerebelde auf Video dokumentiert wurde.
vertikal = Kg; horizontal = Monate
Zurück in der Realität ...
Wir wurden Mitglied bei Stadtmobil Südbaden, dem damals einzigen Carsharing System in Freiburg. Damals bestand die Transporter-Flotte des Stadtmobil vor allem aus Ford-Transits, die nur ein relativ geringes Ladevolumen hatten. Bereits 2012 führte das Stadtmobil aufgrund der hohen Nachfrage nach Transportern drei Mercedes Sprinter Busse mit einem größeren Ladevolumen ein (L x B x H:2,63 x 1,78 x 1,68 m) ein.
Wir entschieden uns gegen einen eigenen Transporter für die Gemüseverteilung zwischen Freiburg und Tunsel aus folgenden Gründen:
- Wir brauchen den Transporter nur einmal die Woche für diese Strecke. Den Rest der Woche würde er ungenutzt rumstehen.
- Wir müssen uns nicht um die Wartung, Versicherung, KFZ-Steuer, TÜV etc. kümmern.
- Wir wollen an bereits etablierte Strukturen andocken, die eine ökologische Alternative zum Privat-PKW anbieten.
- Wir wollen unsere Mitglieder mit dem Angebot von Carsharing in Verbindung bringen, um die Alternative auch für sie privat aufzuzeigen.
- Wenn wir einen eigenen Transporter gekauft hätten, wäre das vermutlich aus Kostengründen eine alte gebrauchte Karre geworden, die höhere Emissionswerte aufweist als die modernen Carsharing Transporter und sehr wartungsintensiv gewesen wäre.
Zum Start der Verteilung hatte die GartenCoop zwei Kellerräume in der Lörracherstraße 29 gemietet, in dem wir unsere Hänger und Kisten lagerten sowie Gemüse verteilten. Das Konzept eines zentralen Umschlagplatzes in Freiburg, bei dem die Kisten vom Transporter auf die Fahrradhänger umgeladen werden, haben wir über die vergangenen fünf Jahre beibehalten, auch wenn der Umschlagplatz nach nicht einmal einem Jahr aus der Lörracherstraße ausziehen musste. Vorübergehend waren wir im Lager des befreundeten Koch-Kollektiv Maulwurf, bevor wir dann im August 2012 in die Wiesentalstraße 21 umzogen.
Exkurs: Urbane Logistik
Die Entwicklung der Hängerflotte
Als wir 2011 mit dem Ausfahren begannen, haben wir zunächst einmal recherchiert, was es denn überhaupt auf dem Fahrrad-Anhänger-Markt gibt und waren recht enttäuscht von der faulen unsichtbaren Hand des Marktes. Die begutachteten Hänger waren nicht für unsere Ansprüche ausgelegt, was Zuladung und Ausmaße der Grundfläche anbelangt. Unsere Gemüsekisten mit ihrem 60X40 cm Grundmaß passten nirgends so richtig rein.
Also gaben wir bei einem Custom-Bike-Bauer unseren ersten (grünen) Hänger in Auftrag:
Die Anforderungen waren recht einfach: Die NAPF-Kisten sollten reinpassen, wir wollten so viele Kisten wie möglich in die Gundfläche kriegen (bei diesem Modell sind es fünf) und der Hänger sollte möglichst robust sein. Um die Kosten möglichst niedrig zu halten, besorgten wir die Stahlrohre selbst und gaben auch die Pulverbeschichtung selbst in Auftrag.
Die an ihn gestellten Anforderungen erfüllt der Hänger auch heute, ca. 5 Jahre nach seiner in Betriebnahme hervorragend. Klarer Nachteil ist aber sein vergleichsweise hohes Eigengewicht. Für ungeübte FahrerInnen kann auch die Breite ein Hindernis darstellen.
Ergänzt wurde unser Fuhrpark durch einige Holzhänger auf Metallkonstruktionen, einen kleinen blauen Hänger, den wir in der Zypresse gefunden hatten und einen Alu-Umbau einer Kinderhängers. Sowohl der blaue Hänger als auch der Alu-Umbau haben die Belastungen nicht lange durchgehalten und mussten aussortiert werden. Die Holzhänger waren eine Leihgabe von Thomas Ungricht. Einer wurde zurückgegeben und der zweite wurde leider gestohlen. Die beiden Hänger haben in ihrer Zeit gute Dienste geleistet, aber hatten einen recht hohen Schwerpunkt, ein etwas zu großes Eigengewicht und neigten, weil sie kürzer sind als unsere jetzigen Modelle, stärker dazu nach hinten (oder auch vorne) überzukippen, wenn sie hoch beladen waren.
Ein dritter Holz-Hänger kam bei uns in umgebauter Form an. Thomas Ungricht hat den Hänger gemeinsam mit der Blechhalle auf SUSI zu dem Prototyp für alle weiteren Hänger umgebaut. Mit vier großen NAPF-Kisten hintereinander in der Grundfläche hielt er in unsere Flotte, liebevoll als "der rostige Hänger" bezeichnet, Einzug.
Die Erfahrungen der ersten Jahre führten uns dann zu einem relativ bewährten Modell von ca. 170 cm langen Hängern, die ca. 80 cm breit sind und vier Kisten in der Grundfläche laden können. Diese wurden größtenteils von dem befreundeten Wägler Lamy für uns geschweißt. Ein Experiment ist der "flache Hänger", der anstatt der sonst verwendeten Kugelkopf-Kupplung über eine Weber-Kupplung verfügt. Für leichtere Fahrten ist er sehr gut geeignet, weil er fester mit dem Rad verbunden ist und ein sehr geringes Eigengewicht hat. Allerdings ist die Deichsel und auch die Rahmenkonstruktion der Grundfläche nicht für unsere schweren Touren geeignet.
Die Beteiligung bei der Verteilung
Die Anfangsphase der Verteilung war geprägt von großer Experimentierfreudigkeit und Neugierde. Wir wollten einfach wissen, ob es möglich ist, mit einem einigermaßen vertretbaren Aufwand unser Gemüse mit Fahrrädern in Freiburg zu verteilen. Eine Handvoll Leute bestritten in den ersten Jahren einen Großteil der Fahrten (zw. 50 und 70 %). Prinzipiell gibt es vermutlich viele Mitglieder der GartenCoop, die sich noch nie an der Verteilung beteiligt haben. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren (Körperliche Überforderung, Zeitmangel, etc.).
Ende Januar 2015 traf sich ein knappes dutzend Mitglieder, um über eine mögliche Optimierung der Verteilung zu sprechen. Diskutiert wurden verschiedene Modelle, bei denen die Verantwortung für die erfolgreiche Verteilung auf die Verteilpunkte aufgeteilt würde oder ein Konzept mit mehreren Umschlagplätzen, die direkt mit dem Bus angefahren würden. Beschlossen wurde dann bei dem Treffen zumindest, den Treffpunkt der VerteilerInnen auf 13.45 Uhr vorzuverlegen, um das Ausladen zu entspannen. Außerdem hat sich als Folge des Treffens eine Ost-Tour etabliert, in der sich drei Verteilpunkte zusammengeschlossen haben.
Anstatt aber zu viel über die Gründe nachzudenken, warum sich unsere Mitglieder nicht ausreichend an der Verteilung beteiligen, haben wir versucht an der Frühjahrswerkstatt 2016 herauszufinden, was grundsätzlich Einsätze für Mitglieder attraktiv macht. Dabei sind wir auf folgende Punkte gestoßen:
1. klare Struktur des Mitgliedereinsatzes
2. physische Aktivität
3. Identifizierung mit den politischen, ökologischen und sozialen Zielen
4. Erfolgserlebnisse / gemeinsam etwas schaffen
5. Landerlebnis
6. Gemeinschaftsgefühl (zusammen etwas tun)
Einige dieser Punkte finden sich naturgemäß bei der Verteilung nicht wieder (6,5). Andere sind sehr wohl vertreten (2). Bei den Punkten 1, 3 und 4 ist aber noch Potential vorhanden, das nicht voll ausgeschöpft wird.
Um beispielsweise die klare Struktur des Einsatzes zu verbessern, haben wir seit April eine feste Koordination der Verteilung eingeführt. Dabei ist jeweils ein erfahreneR VerteilerInnen von 13:30 bis ca. 15 Uhr am Umschlagplatz, um den Beginn des Arbeitseinsatzes zu koordinieren und neue Mitglieder einzuweisen. Außerdem haben die KoordinatorInnen ein Auge auf die Infrastruktur der Verteilung und sorgen gegebenenfalls für Reparaturen bzw. Besorgungen.
Um die Identifizierung mit den politischen, ökologischen und sozialen Zielen der Kooperative zu fördern schreiben wir diesen Text, den ihr gerade lest und wollen ein kleines Video-How-To produzieren.
Das Erfolgserlebnis bzw. das Gefühl, gemeinsam etwas zu schaffen, ist nicht so einfach zu beeinflussen, weil die Verteilung eine recht individualisierte Arbeit ist, in der man sich am Ende nicht mehr gemeinsam trifft und zusammen das Geleistete begutachtet. JedeR fährt eben lieber wieder nach Hause oder weiter zum nächsten Termin, wenn er/sie mit ihrer Tour fertig ist. Trotzdem gäbe es auch hier Potential, wenn die Leistung, die in der Verteilung jede Woche vollbracht wird, innerhalb der Kooperative besser gewürdigt werden würde.
Darüber hinaus haben wir auch die Infrastruktur in der Wiesentaltraße verbessert, um einen Einstieg von neuen Mitgliedern zu erleichtern. Dazu gehört auch die Anschaffung einer motorisierten CarlaCargo der neuen Generation, die seit Anfang Juli für uns fährt. Dies wirkt hoffentlich der oftmals geäußerten körperlichen Überforderung bei der Verteilung entgegen. Mit der Anschaffung der neuen CarlaCargo haben wir auch die Verteilpunkte im Umschlagplatz in den Raum zur Wiesentalstraße verlegt, um den Platzkonflikt zwischen Verteilung und Verteilpunkten zu minimieren. Als Zukunftsperspektive würden wir uns außerdem wünschen, dass unsere Hänger auch zwischen den Verteilungen mehr genutzt werden. Das könnte mittelfristig vielleicht so weit gehen, dass sich ein urbanes Logistik-Kollektiv gründet, das auch außerhalb der GartenCoop Dienstleistungen anbietet.
Was Du als Mitglied tun kannst:
- melde dich an und lass dich ins Radeln einweisen.
Wenn Dir das zu viel ist oder du wenig Zeit hast,
- helfe mit beim Ausladen am Umschlagplatz oder an einem nahen Verteilpunkt
- helfe gelegentlich dabei mit, die Räder und Anhänger zu warten
- Unterstütze die anderen HelferInnen durch kleine Aufmerksamkeiten (ein Apfelschorle kann z.B. im Sommer wahre Wunder bewirken)