Abschluss-Redebeitrag vom Tag des Kleinbäuerlichen Widerstands
Wir sind heute zusammen gekommen, um den Tag des Kleinbäuerlichen Widerstands zu begehen.
KleinbäuerInnen, FischerInnen, HirtInnen und andere Menschen, die im ländlichen Raum arbeiten, produzieren den Großteil der Lebensmittel, die wir jeden Tag essen. In einem System, das Profit über Menschen stellt, sind sie vielfacher Diskriminierung ausgesetzt. Vor allem in Ländern des Globalen Südens sind Kleinbäuer*innen und Wanderarbeiter*innen von Hunger betroffen.
Gründe für diese Entwicklungen sind Langzeitfolgen der Kolonialisierung und politische Entscheidungen zu Gunsten der Agrarindustrie. Die Subventionierung von Großbetrieben und auch die Steuerpolitik der EU in Bezug auf In- und Exporte trägt ihren Teil dazu bei.
Denn zum einen werden Kleinbäuer*innen durch billige Agrarimporte, wie etwa Fleisch aus Deutschland, vom lokalen Markt vertrieben. Zum anderen verlieren immer mehr von ihnen ihr Land an großflächige Agrarkonzerne, die dort Palmöl, Zuckerrohr oder Soja für den Weltmarkt anbauen und somit nicht zum lokalen Ernährungssystem beitragen. Dies führt dazu, dass die Landbevölkerung zwar auf Plantagen schuftet und Waren für den Export produzieren muss, aber selbst kein Land besitzt, um die eigene Ernährung zu sichern.
Der Zugang zu Land und anderen natürlichen Ressourcen wird für Kleinbäuer*innen immer weiter eingeschränkt: Durch die Fremdbestimmung von Staaten durch die internationalen Handelsregeln der WTO, durch die neoliberalen Kreditauflagen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, durch die Entdeckung von Boden als eine gewinnbringende Investment-Anlage. Auch die Kontrolle über Produktionsmittel wie z.B. Saatgut konzentriert sich auf immer weniger Unternehmen, als Folge eines weltweiten, monopolistischen Wettbewerbs.
Wir haben heute von der Ausbeutung migrantischer Saisonarbeiter*innen gehört. Gerade in Zeiten der Pandemie sind diese Menschen, die sich sowieso schon in prekären und ausbeuterischen Bedingungen befinden, besonders verletzlich. Migrantische Saisonarbeiter*innen und Kleinbäuer*innen haben häufig schlechteren Zugang zu medizinischer Versorgung und leiden unter der verstärkten Einschränkung von Bewegungsfreiheit. Wenn Land als Investment-Anlage behandelt wird, zerstört das Böden und Menschenleben - dabei wird dieses Land so dringend gebraucht, um die lokale Bevölkerung zu ernähren. Das wird durch Corona noch einmal besonders deutlich.
Kleinbäuerliche Erzeuger*innen und Landarbeiter*innen sind aber nicht nur von struktureller Gewalt betroffen, sondern erfahren auch unmittelbare, körperliche Gewalt. Seien es Folter und Ermordung bei Landkonflikten oder gewaltsame Vertreibungen im Auftrag von Staat und Kapital.
Die Liste solcher Gewalttaten gegen Kleinbäuer*innen ist lang:
Der Tag des Kleinbäuerlichen Widerstands erinnert mahnend an das Massaker von Eldorado do Carajás (Brasilien). Vor 25 Jahren wurde dort eine Protestaktion der Landlosenbewegung brutal niedergeschlagen. 19 Aktivist*innen wurden durch die brasilianische Polizei ermordet, es gab hunderte Verletzte.
So wurden 2016, in Nordsumatra, die Häuser und Getreidefelder von über 100 Familien zerstört, um dem industriellen Anbau von Palmöl Platz zu machen.
Und vor etwa 2 Jahren töteten Polizei und Militär 14 Bäuer*innen auf der philippinischen Insel Negros. Diese Insel ist traditionelles Anbaugebiet für Zuckerrohr und eine Hochburg des Großgrundbesitzes. Seit 2016 wurden dort insgesamt mehr als 70 Kleinbäuer*innen und Menschenrechts-Aktivist*innen ermordet.
Wir stehen heute hier, um auf die umwelt- und lebensfeindliche Agrarindustrie, Landraub durch internationale Agrarinvestoren, und die gewaltsame Unterdrückung der Kleinbäuer*innen aufmerksam zu machen.
Wir stehen hier, um gegen Hunger und Vertreibung als Folgen der kapitalistischen Einhegung von Saatgut, Ackerland, Fischgründen, Wasser und Wäldern zu protestieren.
Und wir wollen, dass diejenigen, die sich dagegen wehren, gehört werden. Weltweit kämpfen Bäuer*innen und Aktivist*innen für eine gerechte Verteilung von Land, für Klimagerechtigkeit, für umweltfreundliche Agrarsysteme und für die Sicherung der lokalen Lebensmittelversorgung auf dem Land.
Wie zum Beispiel "La Via Campesina", die transnationale Dachorganisation der Kleinbäuer*innen, Fischer*innen und Hirt*innen, die sich für die Verbreitung und Umsetzung des Konzepts der Ernährungssouveränität einsetzt. Oder die Kämpfe von Kleinbäuer*innen in Chile, welche sich für die Landrechte der Indigenen Bevölkerung und gegen die Privatisierung des Wassers einsetzen. In Indien protestierten kürzlich mehr als 300.000 Bäuer*innen gegen neoliberale Landwirtschaftsreformen. Und im französischen Bure widersetzen sich Bäuer*innen gegen die Errichtung eines Atommüllendlagers.
Wir haben heute viele Beiträge gehört, die uns empören, aber auch Mut machen. Lasst uns entschlossen für eine soziale, ökologische und feministische Agrarwende kämpfen.
Auch hier vor Ort gibt es unterstützenswerte Initiativen, die hier vor Ort zu positiven Veränderungen in Bezug auf Ernährung und Lebensmittelproduktion beitragen. Wir haben gehört von der Initiative Lebensmittelpunkte, und um Freiburg herum gibt es verschiedene Projekte solidarischer Landwirtschaft.
Wir erklären uns solidarisch mit den weltweiten kleinbäuerlichen Kämpfen, mit den Aktivist*innen, die sie unterstützen, und mit den Saisonarbeiter*innen, die - in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen, jetzt und hier in der Regio - unseren Luxusspargel stechen.
Macht euch stark für Ernährungssouveränität.
Für eine soziale, ökologische und feministische Agrarwende!
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Fotos: Nadine Blanke, Ernährungsrat | Luciano Ibarra, Gartencoop Freiburg